Bestatterin Barbara Rolf über ihren Firmenverkauf und ihre neue Aufgabe
„Abschied gestalten mit Herz, Verstand und Sinn“ ist der Leitspruch des Bestattungsinstitutes, das Barbara Rolf 2008 gegründet hat. Die Diplom-Theologin hat in nur neun Jahren ein erfolgreiches Unternehmen in Stuttgart und Leinfelden-Echterdingen auf- und ausgebaut. Die junge, engagierte Bestatterin hat Vieles anders gemacht als ihre Branchenkollegen. Sie hat den Trauernden genug Zeit und Raum gegeben, um auch besondere, ganz persönliche Abschieds- oder Bestattungswünsche erfüllen zu können. Doch dann ging ihr die Kraft aus, und sie musste eine Entscheidung treffen. 2017 hat sie ihr Geschäft verkauft – an die Ahorn Gruppe, die bundesweit 250 Filialen betreibt. Heute ist Barbara Rolf dort als Direktorin für Bestattungs- und Unternehmenskultur tätig.
Man kennt Sie als Querdenkerin, die neue Impulse in der Trauerkultur gesetzt hat. Warum haben Sie Ihr unkonventionelles Bestattungshaus ausgerechnet an einen Konzern verkauft?
Es gab einen Punkt in meinem Leben, an dem ich total ausgepowert war. Bestattungen Rolf war einfach viel zu eng mit meiner Person verknüpft. Alles hing an mir. Viele Kunden wollten nur von mir persönlich betreut werden. Da beschloss ich, die Reißleine zu ziehen. Ich stand vor der Entscheidung, zu schließen oder einen Nachfolger zu finden. Ich wollte nicht, dass meine Mitarbeitenden plötzlich auf der Straße stehen – und auch nicht, dass alles, was ich aufgebaut habe, im Nichts verschwindet. Nach reiflicher Überlegung, offenen Gesprächen mit meinem Team und einigen Verhandlungsrunden habe ich mich für die Übergabe entschieden. Der neue Vorstand der Ahorn Gruppe will neue Wege gehen und denkt in wesentlichen Dinge ganz ähnlich. Das passte besser als vermutet.
Mit 31 Jahren haben Sie Ihr Unternehmen voller Enthusiasmus gegründet. Mit 40 haben Sie es aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Das war sicher nicht leicht.
Natürlich war das hart für mich. Aber ich musste loslassen, um wieder Kraft für Neues zu schöpfen. Das hat mir sehr gut getan. Dieser Umbruch hat außerdem Raum für das größte Geschenk meines Lebens geschaffen: meine Tochter. Natürlich schlägt mein Herz nach wie vor für die Themen Abschied, Tod und Trauer. Ich möchte neue Wege aufzeigen, die besondere Zeit zwischen dem Tod und der Bestattung ganz bewusst zu erleben. Ich möchte viele Menschen dazu bewegen, individuelle Abschiedsrituale zu gestalten und heilsame Trauerarbeit zu leisten. Jetzt verwirkliche ich meine Ideen eben nicht mehr als Selbstständige, sondern als Angestellte.
Angestellt?! Sie sind doch ein absoluter Freigeist. Funktioniert das?!
Ja, sogar sehr gut. Ein halbes Jahr nach dem Verkauf hat mir die Ahorn-Gruppe die Stelle als Direktorin für Bestattungs- und Unternehmenskultur angeboten. Da kann ich Vieles bewegen und bewirken. Die gesamte Branche befindet sich im Wandel. Ich freue mich, dass ich dazu beitragen kann, Bestattungsinstitute aus der Tabuzone zu holen. Ich habe immer noch eine enge Anbindung an mein altes Team und verstehe mich sehr gut mit der neuen Betriebsleiterin. Manchmal halte ich noch Trauerreden, übernehme eine Beratung oder Einbettung. Vieles kann ich inzwischen auch im Home Office erledigen. Das ist eine neue Lebensqualität, die ich sehr genieße. Als junge Mutter ist die Sicherheit einer Festanstellung mit flexiblen Arbeitszeiten ideal. Darüber freuen sich auch meine kleine Anna und ihr Papa.
Das klingt nach Aufbruch alter Strukturen – und das in der Bestattungsbranche. Was ist Ihre Aufgabe dabei?
Mich interessieren neue Arbeitsmodelle, Zusammenarbeit auf Augenhöhe etc. Ich liebe es, Talente und Gaben der Mitarbeitenden aufzuspüren und denen Raum zu verschaffen. Ich habe Dinge immer schon anders und quergedacht, auch wenn es um Geld oder Hierarchie geht. Das ist in einem Konzern natürlich spannend. Als erste alternative Bestatterin in der Managementrunde der Ahorn Gruppe bringe ich durch meine Erfahrung automatisch neue Perspektiven ins Spiel. Natürlich lassen sich nicht einfach bewährte Maßnahmen aus meinem alten Betrieb in das große Filialsystem übernehmen. Veränderung ist ein Prozess. Das kann dauern, da unsere Gruppe unglaublich heterogen ist. Wegweisend für alle sollen Transparenz, Menschlichkeit, Offenheit und Respekt sein. Daran soll sich unser Umgang mit Trauernden und Verstorbenen orientieren.
Gibt es schon konkrete Pläne oder Aktionen für die nahe Zukunft?
Zunächst wünsche ich mir, dass unsere Gruppe zu einer echten Gemeinschaft wird, dass sich ein Wir-Bewusstsein entwickelt. Diese Gemeinschaft soll dann – in aller Buntheit und Unterschiedlichkeit – gemeinsame Ziele verfolgen, gemeinsame Standards einhalten, sich auf einen gemeinsamen Wertekanon verpflichten. Dafür erarbeiten wir ein internes Schulungstool, den Ahorn Campus. Auf dieser Plattform soll Wissen vermittelt werden, Themen sollen diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht werden. Auch unsere Öffentlichkeitsarbeit und die Präsenz in den sozialen Medien sollen weiter ausgebaut werden. Wir fördern interessante Projekte wie die Fotoausstellung „Das letzte Bild“ in Berlin, eine Sarggeschichte über das Thema Suizid, ein Kinderbuch – und manches mehr! Es ist viel in Bewegung.
Und was sind Ihre persönlichen Ziele in der Ahorn Gruppe? Was möchten Sie mit Ihrem Tun bewirken?
Ich möchte, dass wir gerne und mit Leib und Seele Bestatter und Bestatterinnen sind. Es gibt immer noch viele Kollegen und Kolleginnen, die ihren Beruf lieber verschweigen und kein so gutes Bild von ihrer eigenen Tätigkeit haben. Ich möchte, dass wir gute, starke und kreative Berater und Beraterinnen sind, die im Kunden zunächst den Mitmenschen sehen, dessen Wünsche uns aufrichtig wichtig sind. Ich möchte, dass wir Verstorbene in ihrer besonderen, „heiligen“ Situation wahrnehmen und achtsam behandeln. Ich möchte, dass wir in der Öffentlichkeit mutig sagen, wofür wir stehen und was mit uns nicht geht.
Schließlich möchte ich, dass wir wirksame Impulse in der Branche setzen und verlässliche, faire Kooperationspartner sind. Es liegt viel im Argen in unserem Land, in unserer Gesellschaft, was den Umgang mit Sterben, Tod, Bestattung und Trauer angeht. Das tut uns allen nicht gut. Hier sehe ich unsere Gruppe in der Verantwortung. Unsere Größe, die Erfahrungsvielfalt der über 1000 Mitarbeitenden, Haltung und Vision von Vorstand und Management sind für mich Verpflichtung und Chance, Vieles zum Besseren und Guten hin zu verändern. Das ist eine knackige Herausforderung, aber zu schaffen.
Vielen Dank für Ihre offenen Worte, liebe Frau Rolf. Was für ein wunderbares Beispiel dafür, dass jedes Ende ein Neuanfang ist – und dass Krisen einen manchmal auf eine höhere Ebene katapultieren. Von Herzen viel Erfolg auf Ihrem neuen Nährboden.
Fotonachweis:
Porträt im Header: Ahorn Gruppe, restliche Bilder: Bestattungen Rolf
Barbara Rolf nachdenklich – Foto: Ulrich Pfeiffer
Barbara Rolf im Gespräch, Luftballons und Särge – Fotos: Franziska Molina
Lichtkreis, Barbara Rolf am Klavier – Fotos: privat